Rechtsprechung zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht

Im Folgenden wird eine kleine Auswahl der aktuellen Rechtsprechung mit Anmerkungen unsererseits dargestellt. Um sich die jeweiligen Urteile oder Beschlüsse selbst durchlesen zu können, sind die Aktenzeichen angegeben.

Der Arbeitgeber darf unbezahlt freistellen (ArbG Gießen, 12.04.2022 – 5 Ga 2/22)

Das Arbeitsgericht Gießen entscheidet, obwohl es kein gesetzliches Beschäftigungsverbot für ungeimpfte Menschen gibt, dass der Arbeitgeber eine Mitarbeiterin, die sich weigert, eine Impfung gegen die COVID-19 Erkrankung zu erhalten, unbezahlt freistellen kann.

Hier geht die Rechtsprechung noch weit über den schon mehr als fragwürdig zu nennenden § 20a des Infektionsschutzgesetzes hinaus. Dieser regelt lediglich eine Nachweispflicht dem Arbeitgeber gegenüber über eine erfolgte Impfung, einen Genesenennachweis, ein Kontraindikationsattest oder einen ärztlichen Nachweis über eine Schwangerschaft im ersten Drittel. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, muss der Arbeitgeber die Menschen, für die es zutrifft, dem Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt kann nach eingehender Prüfung im Einzelfall ein Betretungsverbot aussprechen.

Eine unbezahlte Freistellung ist von ihren Auswirkungen her gleichzusetzen mit einer fristlosen Kündigung, da die Mitarbeiterin von heute auf morgen ihre Existenzgrundlage verliert. Das entspricht sicher nicht dem Ultima-Ratio-Prinzip, nämlich in einem Konflikt zuerst die milderen Mittel zu wählen.
Fristlose Kündigung eines Auszubildenden zum Gesundheits- und Krankenpfleger (ArbG Bonn, 18.05.2022 – 2 Ca 2082/21)

Der Auszubildende hatte unter anderem seine Maske nicht ordnungsgemäß getragen und auf die Aufforderung des Geschäftsführers, dies zu tun, nicht gleich reagiert. Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist, da der Arbeitgeber zuvor keine Abmahnung ausgesprochen hatte.

Die Ausbildungsvergütung stehe dem Auszubildenden im Rahmen des Annahmeverzuges zu, obwohl er nicht gegen die COVID-19 Erkrankung geimpft ist. Als Grund wird vom Gericht angeführt, dass der Auszubildende bereits vor dem 15.03.2022 beim Arbeitgeber beschäftigt war und dieser lediglich eine Meldepflicht dem Gesundheitsamt gegenüber habe, wenn ein Beschäftigter keinen entsprechenden Nachweis vorgelegt hat. Das Beschäftigungs- oder Tätigkeitsverbot könne lediglich von der Behörde ausgesprochen werden.

Das Arbeitsgericht Bonn hat sich in diesem Urteil an den gesetzlichen Regelungen orientiert und dem Arbeitgeber in seiner Eigenmächtigkeit Grenzen gesetzt.
Kein Zwangsgeld bei Verweigerung einer Impfung gegen die COVID-19 Erkrankung (14. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, Beschluss vom 22.06.2022, Az.: 14 ME 258/22)

Die Mitteilung des Arbeitgebers an den Landkreis über eine nicht gegen die COVID-19 Erkrankung geimpfte Mitarbeiterin, veranlasste den Landkreis, diese unter Androhung eines Zwangsgeldes zu einer Erst- und Zweitimpfung aufzufordern.

Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass ein Zwangsgeld hier nicht angemessen ist, da es gemäß § 20a IfSG keinen Impfzwang gebe. Die Beschäftigten könnten sich auch dafür entscheiden, ihren Arbeitsplatz aufzugeben, um einer Impfung zu entgehen.

Ob diese Entscheidung die Beschäftigten weiterbringt, sei dahingestellt. Denn der Verlust des Arbeitsplatzes ist für die meisten Menschen existenziell bedrohlich und keine wirkliche Alternative zur Verhinderung der Impfung. Es ist davon auszugehen, dass viele Menschen im Gesundheitsbereich sich deswegen gegen ihre Überzeugung impfen ließen.
Bundesverfassungsgericht hält die einrichtungsbezogene Impfpflicht für verfassungskonform (BVerfG, 27.04.2022, Az.: 1 Bv R 2649/21)

Das BVerG hat mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht zurückgewiesen.

Die Richter in Karlsruhe sahen keine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer, insbesondere sahen sie diese nicht in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und auf die freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt.

Der Gesetzgeber habe mit dem IfSG im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums gehandelt um die vulnerablen Gruppen zu schützen. Die Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Menschen müssten hinter diesen Schutzinteressen zurücktreten.

Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht beizeiten seinen Auftrag, nämlich die Einhaltung des Grundgesetzes, wieder aufnimmt oder sich weiterhin als Handlanger einer übergriffigen Politik versteht.